DER Payroll Podcast #13 – erschienen am 30. Oktober 2025
16% der deutschen Unternehmen nutzen noch Excel für die Zeiterfassung, 13% sogar handschriftliche Stundenzettel.
Mit fatalen Folgen: Nur 78% aller Lohnabrechnungen weltweit sind korrekt – und fehlerhafte Zeitdaten sind eine der Hauptursachen. Matthias Gebhard, seit 25 Jahren Experte für Zeitwirtschaftssysteme bei ProTime (SD Worx), erklärt im Gespräch, warum Excel rechtlich problematisch ist – und was moderne Workforce-Management-Systeme heute leisten können.
Zum Interview:
Sabine Katzmair: Herr Gebhard, Sie arbeiten seit 25 Jahren im Bereich Zeitwirtschaft. Erfassen Sie selbst eigentlich Ihre Arbeitszeit?
Matthias Gebhard: Ja, definitiv! Bei uns in der SD Worx Deutschland gibt es seit über zwei Jahren die Vorgabe, Arbeitszeiten zu erfassen. Ich buche morgens kommen, abends gehen – und habe dadurch einen sehr guten Blick auf meine Stunden. Man sieht dann schon mal, wie viele Überstunden sich ansammeln, und muss auch feststellen: Irgendwann ist eine Grenze erreicht. Da wird bei uns auch sehr viel Wert drauf gelegt, dass Überstunden wieder minimiert werden.
Sabine Katzmair: Zeitwirtschaft gilt oft als „Stiefkind“ – obwohl sie für die Payroll zentral ist. Warum wird sie so unterschätzt?
Matthias Gebhard: Die Zeitwirtschaft wird häufig unterschätzt, weil viele Kunden gar nicht wissen, was im Unternehmen zeitwirtschaftstechnisch eigentlich abläuft. Ich hatte schon Kunden, da war ich in einer Präsentation – die Personalabteilung hat gesagt „wir machen das so und so“, und der Chef meinte: „Wie, sowas machen wir? Sowas zahlen wir?“
Da ist gar nicht das Verständnis da gewesen, was eigentlich in der Zeitwirtschaft läuft. Und da gehört definitiv mal ein Augenmerk drauf gerichtet.
Sabine Katzmair: Was ist denn das Kernproblem?
Matthias Gebhard: In der heutigen Zeit ist einer der wichtigsten Kostentreiber im Unternehmen die Personalkosten. Und wenn ich da Personalkosten besser in den Griff bekomme oder transparenter mache – es ist ja nicht so, dass ich durch eine Zeitwirtschaft überall plötzlich einen Haufen Leute einsparen kann. Nein, im Gegenteil.
Aber ich kann Daten sichtbar machen. Ich weiß dann: Wo habe ich den Kostentreiber? Wo werden viele Überstunden gemacht, wo weniger? Dass ich das transparent bekomme und Entscheidungen treffen kann, die auf Fakten basieren.
Ein Bauchgefühl hat man – man sagt „in der Abteilung werden immer so viele Überstunden gemacht“. Aber mit Zeitwirtschaftsdaten kann man das mit Fakten untermauern.
Sabine Katzmair: Viele Unternehmen nutzen noch Excel oder sogar Papier. Was sagt der Referentenentwurf zum EuGH-Urteil dazu?
Matthias Gebhard: Es gibt genügend Kunden, die zum Beispiel mit Excel oder auch noch mit Papierdaten erfassen. Und gerade wenn ich jetzt auf den Referentenentwurf zum EuGH-Urteil schaue – da steht drin, dass es revisions- und fälschungssicher sein muss.
Wie kann ich eine Excel-Tabelle fälschungssicher machen? Oder ein Blatt Papier? Das geht von dem her gar nicht. Und Datenschutz ist dann noch ein weiteres Thema. Da geistern Excel-Tabellen durchs Unternehmen – wenn die eine aufmacht, dann sieht sie vielleicht Daten aus vielen Abteilungen.
Das kann man mit Papier und Excel in der heutigen Zeit nicht mehr händeln.
Sabine Katzmair: Was unterscheidet denn ein modernes Workforce-Management-System von klassischer Zeiterfassung?
Matthias Gebhard: Das Workforce-Management-System deckt alle Prozesse ab – und das sagt der Name schon: Wir managen die Arbeitszeit der Mitarbeiter. Wir greifen über eine Schichtplanung, über Personaleinsatzplanung in die Arbeitszeit ein, um das zu optimieren.
Und zwar aus zwei Sichten: Einmal aus Sicht des Unternehmens – ich muss meine Schichten optimal besetzen können. Andererseits aber auch aus Sicht des Mitarbeiters. Man kann in modernen Systemen hinterlegen: Der Mitarbeiter darf nur eine gewisse Anzahl von Nachtschichten machen, von Wochenenddiensten. Oder: Der Mitarbeiter ist qualifiziert für fünf Arbeitsplätze und soll die einmal im Monat durchrotieren, damit er es nicht verliert.
Das ist das Management, das dahinter steht.
Sabine Katzmair: Sie haben in der Folge eine Live-Demo der KI-gestützten Schichtplanung gezeigt. Wie funktioniert das?
Matthias Gebhard: Ich kann dem System sagen: Ich brauche minimal/maximal einen Schichtführer, zwei Maschinenbediener – die müssen Profi sein. Ich kann auch Skill-Levels hinterlegen. Und vielleicht einen oder zwei Auszubildende mit rein.
Dann kann ich dem System auch sagen: Beachte die Ruhezeit unbedingt. Berücksichtige, dass Mitarbeiter gleichmäßig ausgelastet werden. Oder: Rotation der Mitarbeiter auf Arbeitsplätze – der ist für fünf Arbeitsplätze qualifiziert, soll alle fünf Wochen jeden mal durchmachen.
Oder Teamverplanung: Plane Müller und Meyer immer miteinander ein, weil die eine Fahrgemeinschaft haben. Das freut die, das ist Mitarbeiterzufriedenheit. Oder umgekehrt: Plane die beiden NIE miteinander ein, weil die zusammen zu viel Gaudi machen. [lacht]
Sabine Katzmair: Was passiert bei Krankmeldungen?
Matthias Gebhard: Wenn jetzt ein Mitarbeiter sich krank meldet – die Krankmeldung kommt über den Employee Self Service rein. Der Mitarbeiter wird aus der Planung rausgenommen, weil er ja krank ist. Und dann sagt mir das System: Hey, ich habe da eine Unterdeckung.
Dann kann ich sagen: Manuell zuordnen – und das System schlägt mir vor, wer passen würde. Oder ich kann dem System sagen: Berechne nochmal, aber lass alles wie es ist und berechne nur den einen Tag, wo es fehlt.
Somit kann das System den besten Mitarbeiter raussuchen, der unter allen Berücksichtigungen passt.
Sabine Katzmair: Das Wissen des Planers wird also digitalisiert?
Matthias Gebhard: Genau. Häufig ist es so, dass dieses Wissen im Kopf der Planer steckt. Planer wissen genau, wie sie ihre Schichtpläne aufbauen müssen.
Es ist aber auch so, dass so ein Planer auch mal in den Urlaub geht oder krank wird. Und keiner möchte gerne im Urlaub angerufen werden vom Vertreter: „Du, ich brauche jetzt einen – wer könnte das?“ Das will man ja nicht. Es kann auch sein, dass ich den nicht erreiche.
Somit ist das Wissen in einer digitalen Lösung drin. Damit hat man eine Redundanz aufgebaut, die auch dafür sorgt, dass im Engpass eine saubere Planung nach wie vor gemacht werden kann.
Sabine Katzmair: Ein Kunde hat durch bessere Planung Leiharbeiter-Kosten reduziert, haben Sie erzählt.
Matthias Gebhard: Ja, ich habe einen Kunden, der hat früher, wenn ein Mitarbeiter ausgefallen ist oder sich länger krank gemeldet hat, schnell auf den Leiharbeiter zurückgegriffen. Er hat sich gedacht: Okay, mir fällt kein anderer ein.
Und wenn man so ein digitales System hat, dann kann man sagen: Die Planung in drei Wochen – die schmeiße ich komplett durcheinander, werfe sie komplett neu. Bevorzuge, meine eigenen Mitarbeiter einzuplanen. Und wenn du keinen eigenen findest, dann plan einen Leiharbeiter ein.
Da hat der Kunde einfach festgestellt, dass durch eine geschickte Umplanung von Mitarbeitern er viel weniger externe Mitarbeiter braucht. Das ist eine Kostenoptimierung.
Sabine Katzmair: Was raten Sie Unternehmen, die noch mit Excel arbeiten?
Matthias Gebhard: Präventiv handeln! Erstens: Wenn das EuGH-Urteil in deutsches nationales Recht gegossen wird, gibt es eine Deadline – und plötzlich wollen dann alle gleichzeitig. Die Zeitwirtschaftsanbieter haben aber auch nur begrenzte Ressourcen.
Das Nächste ist: Es gibt eigentlich schon Urteile, die sagen, gemäß Arbeitsschutzgesetz sind Unternehmen schon verpflichtet, Arbeitszeiten zu erfassen. Deswegen machen wir das auch bei uns in der Firma – unsere Rechtsabteilung hat gesagt: Auf Basis des Arbeitsschutzgesetzes ist es schon verbindlich.
Sabine Katzmair: Worauf sollten Unternehmen bei der Systemauswahl achten?
Matthias Gebhard: Wenn ein Kunde in der Präsentation sagt „bei uns ist alles ganz einfach“ – dann gehen bei mir die roten Lampen an. Weil meistens stellt man dann fest: So einfach sind wir gar nicht. Jeder hat irgendwo eine spezielle Regelung.
Man kann das schon umsetzen, aber man muss es halt wissen, man muss darüber reden. Man muss den Kunden führen und sagen: Analysier mal deine Prozesse. Das ist überhaupt das Wichtigste – zu wissen, was läuft denn im Unternehmen.
Und: Auch mal alte Zöpfe abschneiden. Schlechte Prozesse in Lösung A – wenn ich die in Lösung B mit überführe, dann läuft es auch schlecht. Man muss bereit sein, auch mal was Neues zu machen, gewisse Themen zu hinterfragen.
Sabine Katzmair: Wie wichtig sind Schnittstellen zur Payroll?
Matthias Gebhard: Alles, was mit der Zeit des Mitarbeiters zu tun hat, gehört in das Zeiterfassungssystem rein. Ganz klar. Man kann da keine Aspekte außen vor lassen.
Und natürlich am Ende des Abrechnungszeitraums muss man sagen: Welche Daten müssen in die Payroll rüber? Es gibt auch Daten, die bleiben innerhalb der Zeitwirtschaft – zum Beispiel Überstunden. Das ist schön, aber das interessiert die Payroll nicht, weil das alles innerhalb der Zeitwirtschaft abgehandelt wird.
In aktuellen Systemen stellst du ein: Welche Zeitart wird mit welcher Lohnart an die Payroll rübergegeben. Und das ist dann auch eine sichere Kommunikation mit dem Payroll-System.
Sabine Katzmair: Ihr Fazit?
Matthias Gebhard: Die Zeitwirtschaft macht eigentlich Personalkosten transparent. Und man kann einfach Daten sichtbar machen – wo habe ich Kostentreiber, wo werden viele Überstunden gemacht. Dass ich das transparent bekomme und Entscheidungen treffen kann, die auf Fakten basieren, nicht auf Bauchgefühl.
Und moderne Systeme mit KI-Unterstützung – die können heute schon eine immense Entlastung bringen. Für Planer, für HR, für die Mitarbeiter. Das ist definitiv die Zukunft.
🎧 Das vollständige Gespräch mit Matthias Gebhard – inklusive Live-Demo der KI-Schichtplanung – gibt es hier:
👉 Jetzt Video-Podcast-Folge anhören
📅 Teil 2 erscheint am 20. November 2025:
„Systemwechsel in der Zeitwirtschaft – Hausaufgaben, Projekttipps & Erfolgsfaktoren“
Fazit:
Viele Unternehmen stehen jetzt vor der Herausforderung, ihre Zeitwirtschaft fit für gesetzliche Vorgaben und moderne Payroll-Prozesse zu machen.
Ich unterstütze Sie dabei – von der Analyse über die Systemauswahl bis hin zur Implementierung.

